Keine Verfahrensverzögerung durch mehrfache Berufung

Gerichtstermin iurFRIEND® AG

Samstag, 27.05.2023 , geschrieben von EliteXPERTS-Redaktion

Rechtsmittel haben den Zweck, eine eventuell fehlerhafte gerichtliche Entscheidung von einem höheren Gericht überprüfen zu lassen. Rechtsmittel dienen aber nicht dazu, ein gerichtliches und in einer Instanz abgeschlossenes Verfahren in unsachgemäßer Art und Weise missbräuchlich zu verzögern. Der Bundesgerichtshof hat hierzu klargestellt, dass die Berufungsbegründungsfrist ohne die Zustimmung des Gegners nur bis zu einem Monat verlängert werden kann. Eine zweite Fristverlängerung ist nur insoweit möglich, als die Rechtsmittelfrist von einem Monat nicht überschritten wird.

Entscheidung auch für andere Rechtsgebiete relevant?

Auch wenn die Entscheidung in einer mietrechtlichen Angelegenheit ergangen ist, ist sie genauso relevant, wenn ein Ehepartner gegen den Scheidungsbeschluss des Familiengerichts Beschwerde oder Berufung einlegt. Möchten Sie, dass Ihre Scheidung schnell rechtskräftig wird oder möchten Sie umgekehrt den Scheidungsbeschluss aus guten Gründen angreifen, sollten Sie wissen, was es mit der Rechtsmittelbegründungsfrist auf sich hat.

Praxisbeispiel

Scheidung

Das Familiengericht hat im Scheidungstermin per Beschluss verkündet, dass Ihre Ehe geschieden ist. Ihr Ehepartner hat erklärt, dass er/sie noch überlegen möchte, ob er/sie den Scheidungsbeschluss akzeptiert und insoweit nicht auf Rechtsmittel verzichten möchte. Innerhalb der Rechtsmittelfrist von einem Monat legt er/sie dann tatsächlich Beschwerde ein und verfolgt insgeheim die Absicht, den Abschluss des Scheidungsverfahrens so weit als möglich zu verzögern. Kurz vor Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist von einem weiteren Monat beantragt er/sie mit fadenscheinigen Gründen bei Gericht, die Begründungsfrist nochmals um sechs Wochen zu verlängern. Sie sind verärgert, weil Sie die Eheschließung mit Ihrem neuen Lebensgefährten noch immer nicht vollziehen können. Sie werden im Hinblick auf Ihre zeitliche Planung von Ihrem Anwalt wissen wollen, ob Sie den Verlängerungswunsch des Ex-Partners akzeptieren müssen oder Ihren Trautermin beim Standesamt vielleicht doch wahrnehmen können.

Was sind Rechtsmittelfrist und Rechtsmittelbegründungsfrist?

Verkündet das Familiengericht im Scheidungstermin Ihre Scheidung, werden Sie gefragt, ob Sie auf Rechtsmittel verzichten. Erklären beide Ehepartner, auf Rechtsmittel zu verzichten, wird der Scheidungsbeschluss sofort unanfechtbar und rechtskräftig. Ihre Ehe ist dann aufgelöst. Sie könnten dann sofort erneut heiraten.

 

Erklärt ein Ehepartner, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, beginnt die Rechtsmittelfrist zu laufen. Der Scheidungsbeschluss ist noch nicht rechtskräftig und bleibt anfechtbar. Eine erneute Eheschließung kommt insoweit nicht in Betracht.

 

Als Rechtsmittel kommen insbesondere die Beschwerde und Berufung in Betracht. Die Rechtsmittelfrist beträgt jeweils einen Monat. Dies bedeutet, dass Sie innerhalb von einem Monat nach der Zustellung des Scheidungsbeschlusses ein Rechtsmittel einlegen können. Wird die Frist versäumt, kann der Scheidungsbeschluss nicht mehr angefochten werden und wird per Gesetz rechtskräftig.

 

Von der Rechtsmittelfrist ist die Rechtsmittelbegründungsfrist zu unterscheiden. In Ehe-, Lebenspartnerschafts- und Familienstreitsachen sieht das Gesetz eine Frist von zwei Monaten ab der schriftlichen Bekanntgabe des anzufechtenden Beschlusses vor (§ 117 FamFG). Damit haben Ehepartner also ab der Zustellung des Scheidungsbeschlusses insgesamt zwei Monate Zeit, ein Rechtsmittel einzulegen und das Rechtsmittel inhaltlich zu begründen. Die Rechtsmittelbegründungsfrist kann ausnahmsweise mit Zustimmung des anwaltlichen Vertreters des gegnerischen Ehepartners um einen weiteren Monat verlängert werden. Stimmt der Gegner nicht zu, kommt eine weitere Fristverlängerung nicht in Betracht.

 

Innerhalb dieser weiteren einmonatigen Rechtsmittelbegründungsfrist muss die Beschwerde oder die Berufung begründet werden. Eine Begründung ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben, ist aber dringend zu empfehlen, damit das Beschwerdegericht erkennen kann, warum der gerichtliche Beschluss angefochten werden soll. Wird das Rechtsmittel nicht begründet, dient es in vielen Fällen offensichtlich nur dazu, den Abschluss des Verfahrens zu verzögern.

Wie kann die Rechtsmittelbegründungsfrist verlängert werden?

Der Bundesgerichtshof hat eine bislang streitige Rechtsfrage entschieden. Es ging um die Berufung gegen ein Urteil eines Amtsgerichts in einer Mietrechtssache. Nach dem Gesetz kann die Berufungsbegründungsfrist ohne Zustimmung des Gegners nur bis zu insgesamt einem Monat verlängert werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller die Monatsfrist gleich beim ersten Verlängerungsantrag ausschöpft oder die Frist erst durch mehrere Anträge hintereinander ausgeschöpft wird (BGH, Beschluss vom 7.2.2023, Az. VIII ZB 55/21). Die Entscheidung, die im Hinblick auf die Berufungsbegründungsfrist ergangen ist, ist sicherlich wegen des gleichen Hintergrunds in gleicher Weise auf die Beschwerdebegründungsfrist zu übertragen.

 

Im Fall hatte die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Ihr Anwalt hatte die Berufungsbegründungsfrist bis zwei Tage vor Ablauf der Monatsfrist verlängern lassen. Als er zwei Tage vor Ablauf der verlängerten Frist überraschend ins Krankenhaus eingeliefert wurde, bemühte sich ein Kollege aus seiner Sozietät um eine Fristverlängerung. Diese lehnte der gegnerische Anwalt ab. Das Gericht bewilligte daher eine Fristverlängerung, allerdings nur um die zwei Tage, die noch bis zum Ablauf der Monatsfrist verfügbar waren. Eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus lehnte das Gericht mangels Zustimmung des gegnerischen Anwalts ab. Der anwaltliche Vertreter hätte die Berufungsbegründung innerhalb der bestehenden Frist anfertigen müssen. Er hätte wissen müssen, dass das Gericht ohne Zustimmung des Gegners lediglich eine Fristverlängerung von bis zu insgesamt einem Monat gewähren könne. Daran ändere nichts, dass das Gericht erst nach Fristablauf über seinen Verlängerungsantrag entschieden habe.

 

Klarstellend entschied der Bundesgerichtshof darüber hinaus, dass es innerhalb der Monatsfrist zulässig sei, die Monatsfrist mit mehreren hintereinander gestellten Anträgen auszuschöpfen. Das Gesetz verbiete nicht, dass nur ein Antrag zulässig sei. Dem stehe auch der Wille des Gesetzgebers, das Verfahren zu beschleunigen, nicht entgegen, da die Höchstfrist von einem Monat nicht überschritten werde. Auch der Umstand, dass die Mandantin auf die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung warten wollte, rechtfertige es nicht, die Rechtsmittelbegründungsfrist zu verlängern oder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Welchen Zweck hat die Beschwerde gegen den Scheidungsbeschluss?

Mit der Beschwerde greifen Sie eine einzelne Entscheidung des Scheidungsbeschlusses an. Der Scheidungsbeschluss insgesamt wird aber nicht infrage gestellt. Die dafür notwendige Beschwerdeschrift kann nur von Ihrem Rechtsanwalt beim Familiengericht eingereicht werden. Die Frist beträgt einen Monat. In einer Frist von einem weiteren Monat muss die Beschwerde begründet werden. Die Beschwerde eröffnet eine vollwertige zweite Tatsachen- und Rechtsinstanz. Das Beschwerdegericht tritt als zweite Tatsacheninstanz an Stelle des Amtsgerichts und hat im Hinblick auf die angegriffene Einzelfallentscheidung im Scheidungsbeschluss das gesamte Sach- und Rechtsverhältnis von Amts wegen erneut zu beurteilen. In familienrechtlichen Angelegenheiten ist das Oberlandesgericht, das für den Bezirk des Amtsgerichts (Abteilung Familiengericht) zuständig ist, das zuständige Beschwerdegericht.

Mit Versorgungsausgleich nicht einverstanden

Das Familiengericht hat Ihre Scheidung beschlossen und von Amts wegen über den Versorgungsausgleich entschieden. Sind Sie mit dem Inhalt des Beschlusses zum Versorgungsausgleich nicht einverstanden, können Sie Beschwerde einlegen.

Welchen Zweck hat die Berufung gegen den Scheidungsbeschluss?

Statt der Beschwerde kommt auch die Berufung in Betracht. Die Berufung ist das richtige Rechtsmittel, wenn Sie das gesamte Scheidungsverfahren infrage stellen und von Anfang an neu aufrollen möchten. Dann wird über Ihre Scheidung und eventuelle Scheidungsfolgen neu verhandelt. War für eine Scheidungsfolge ein Sachverständigengutachten erforderlich, ist damit zu rechnen, dass ein neues Gutachten erstellt werden muss und dafür auch zusätzliche Kosten anfallen. Möglicherweise möchten Sie auch den Anwalt wechseln und Ihre Scheidung mit einem neuen Anwalt abwickeln.

 

Auch bei der Berufung beträgt die Rechtsmittelfrist einen Monat. Die Frist beginnt ab dem Datum der Zustellung. Wurde der Scheidungsbeschluss Ihrem Anwalt zugestellt, zählt das Datum der Zustellung an den Anwalt. Es ist Aufgabe und Verantwortung Ihres Anwalts, Sie rechtzeitig über die Zustellung in Kenntnis zu setzen. Waren Sie im Scheidungsverfahren nicht anwaltlich vertreten, finden Sie den Scheidungsbeschluss in ihrer Post. Insoweit kann es sein, dass für Sie und Ihren Ehepartner unterschiedliche Fristen gelten, je nachdem, wann Sie jeweils die Zustellung erhalten haben.

Gericht übergeht vorgetragene Forderung

Das Familiengericht hat Ihre Scheidung beschlossen, ohne dass es über Ihre im Scheidungsantrag vorgetragene Forderung über Ehegattenunterhalt entschieden hätte. Sie können den Scheidungsbeschluss mit der Berufung anfechten.

Vermeiden Sie Risiken bei Rechtsmittelfristen

Beabsichtigen Sie, den Scheidungsbeschluss mit einem Rechtsmittel anzugreifen, sollten Sie beachten, dass Rechtsmittelfristen Ausschlussfristen sind. Rechtsmittelfristen lassen sich nicht verlängern. Sie sollten die Fristen also nicht in voller Länge bis zum letzten Tag ausnutzen. Da Sie die Beschwerde oder Berufung nur über einen Rechtsanwalt bei Gericht einlegen können, müssen Sie Ihren Rechtsanwalt rechtzeitig über Ihre Absichten informieren. Der Rechtsanwalt benötigt Zeit, um die Beschwerde oder Berufung zu formulieren. Auch wenn die Rechtsmittelfrist erst um 24 Uhr des letzten Tages abläuft, laufen Sie immer Risiko, dass Ihre Beschwerde verspätet eintrifft. Geht Ihre Beschwerde erst um 24.01 Uhr bei Gericht ein, ist sie verspätet und damit unzulässig.

Alles in allem

Ihr Rechtsanwalt wird Sie informieren und beraten, was Sie zu Rechtsmittelfristen und Rechtsmittelbegründungsfristen und den damit verbundenen Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels wissen müssen. Betrachten Sie Rechtsmittel nicht als Werkzeuge, um vermeintliche Ziele durchzusetzen, die sich letztlich vielleicht doch nicht realisieren lassen. Legen Sie ein Rechtsmittel ein, sollte es dafür allein schon aus Kostengründen nachvollziehbare gute Gründe geben.

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