Wer ist der "Anwalt des Kindes"?

Donnerstag, 01.06.2023 , geschrieben von EliteXPERTS-Redaktion

Wohl dem, der im Leben nicht allein steht. Vor allem Kinder stehen oft im Mittelpunkt, wenn sich die Eltern um das „Wohl des Kindes“ streiten. Aber auch dann, wenn die Eltern dem Kind etwas rechtsgeschäftlich „Gutes“ tun wollen, muss es eine Institution geben, die prüft, ob dem Interesse des Kindes wirklich gedient ist. Für diese Zwecke gibt es mithin den Beistand, den Vormund oder den Ergänzungspfleger, denen als "Anwalt des Kindes" besondere Aufgaben übertragen sind. Ein Artikel anlässlich des heutigen Weltkindertags.

Jugendamt als Beistand und "Anwalt des Kindes"?

Geht es um bestimmte Interessen des Kindes, gibt es die gesetzliche Beistandschaft (§ 1712 BGB). Beistand ist das Jugendamt. Zuständig sind dafür ausgebildete Beamte. Die Aufgabe kann vom Jugendamt auch auf einen rechtsfähigen Verein übertragen werden, etwa einen Wohlfahrtsverband oder einen Verein zur Unterstützung alleinstehender Mütter.

 

Sind die Eltern des Kindes nicht miteinander verheiratet, informiert der Standesbeamte von Gesetzes wegen das Jugendamt über die Geburt des Kindes (§ 52a Abs. VI SGB VIII). Für die nicht verheiratete Mutter bietet das Gesetz Beratungsangebote an.

Aufgabenkreis des Jugendamtes als "Anwalt des Kindes"

Der Aufgabenkreis des Jugendamtes ist auf Angelegenheiten begrenzt, in denen eine effektive Vertretung des Kindes gewährleistet sein muss, ohne die Verantwortung des vertretungsberechtigten Elternteils infrage zu stellen. In Betracht kommt die Feststellung der Vaterschaft, die alle Handlungen umfasst, die zur Feststellung der Vaterschaft führen, nicht aber die Anfechtung der Vaterschaft. Der wichtigste Aufgabenkreis dürfte aber sein, Unterhaltsansprüche gegen den unterhaltspflichtigen Elternteil durchzusetzen.

Beistand ist Vertreter des Kindes

Wird ein Beistand bestellt, tritt er als Vertreter des Kindes auf. Die Vertretungsberechtigung des sorgeberechtigten Elternteils bleibt aber aufrechterhalten. Treffen Beistand und Elternteil widersprüchliche Entscheidungen, entscheidet das Familiengericht. Verklagt das Jugendamt Herrn Müller auf Feststellung der Vaterschaft, während die Mutter Herrn Meier verklagt, wird das Familiengericht die Beistandschaft wahrscheinlich aufheben, da der Zweck der Beistandschaft fehlschlägt.

Wer kann die Beistandschaft beantragen?

Jeder Elternteil, der die alleinige Sorge für das Kind innehat, kann die Beistandschaft beantragen. Bereits mit der Antragstellung ist die Beistandschaft begründet, ohne dass es einer ausdrücklichen Bestellung durch das Jugendamt oder einer gerichtlichen Entscheidung bedarf.

 

Geht es um die Feststellung der Vaterschaft, ist zwangsläufig die Mutter berufen. Für die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen kommen beide Elternteile in Betracht. Die Mutter kann den Antrag schon vor der Geburt des Kindes stellen und den Antrag beispielsweise auf die Feststellung der Vaterschaft beschränken. Steht die elterliche Sorge gemeinsam beiden Elternteilen zu, kann derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, die Beistandschaft beantragen, etwa um Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil durchzusetzen. Die Beendigung der Beistandschaft kann jederzeit beantragt werden.

Vormund als „Anwalt des Kindes“

Gibt es keine sorgeberechtigten Elternteile oder sind Elternteile erziehungsungeeignet, hat sich die Amtsvormundschaft, die im Regelfall durch das Jugendamt ausgeübt wird, zum Regelfall entwickelt. In der Praxis leben Kinder und Jugendliche aber meist nicht bei ihrem Vormund, sondern werden in Heimen oder Pflegefamilien untergebracht. Der Vormund ist gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes und ersetzt die fehlende elterliche Sorge für das minderjährige Kind. Der Vormund entscheidet in allen Angelegenheiten der Personen- und Vermögenssorge im Namen seines Mündels. Bei Interessenkonflikten zwischen Vormund und Mündel ist ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Die Vormundschaft endet spätestens, wenn das Kind volljährig wird.

Pfleger als "Anwalt des Kindes"

Das Bürgerliche Gesetzbuch trifft Vorsorge, wenn Eltern aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert sind, Verantwortung für das Kind zu tragen. Insbesondere wenn die Eltern verhindert sind, der elterliche Sorge auszuüben, hat das Familiengericht im Interesse des Kindes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

 

Kann ein Elternteil sein Sorgerecht nicht wahrnehmen, prüft das Familiengericht in einem ersten Schritt, ob die elterliche Sorge auf den anderen bislang vielleicht nicht sorgeberechtigten Elternteil übertragen werden kann und dieser in der Lage und geeignet ist, die elterliche Sorge auszuüben. War der Elternteil bislang nicht sorgeberechtigt, bedarf es jedenfalls eines Beschlusses des Familiengerichts (§ 1678 Abs. II BGB). Kann die elterliche Sorge nicht auf den anderen Elternteil übertragen werden, kommt die Bestellung eines Vormunds in Betracht oder zur unmittelbaren Erledigung notwendiger Geschäfte die Bestellung eines Pflegers.

 

Insoweit gibt es eine Reihe von Pflegschaften. Im Gegensatz zur Vormundschaft betrifft die Personenpflegschaft nicht die umfassende Sorge für alle Angelegenheiten eines Kindes, sondern beschränkt sich auf die Vorsorge für einzelne Angelegenheiten oder einen Kreis von Angelegenheiten.

Pflegschaft für das ungeborene Kind

Zur Wahrnehmung der Rechte eines ungeborenen Kindes (nasciturus) kann das Familiengericht einem Pfleger bestellen, sofern der künftige elterliche Sorgeberechtigte diese Rechte nicht wahrnehmen kann (§ 1912). Die Pflegschaft endet spätestens mit der Geburt des Kindes.

Ergänzungspflegschaft

Das Familiengericht kann die Ergänzungspflegschaft anordnen, wenn die sorgeberechtigten Elternteile oder der für das Kind bestellte Vormund aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht für das Kind entscheiden können. Anlass für die Ergänzungspflegschaft sind vor allem Rechtsgeschäfte, bei denen der elterliche Sorgeberechtigte oder Vormund kraft Gesetzes wegen einer Interessenkollision verhindert ist.

 

Die rechtliche Stellung des Pflegers entspricht weitgehend der des Vormunds. Der Wirkungskreis des Pflegers wird vom Familiengericht unter Berücksichtigung des Fürsorgebedürfnisses im konkreten Fall bestimmt. Innerhalb des übertragenen Aufgabenkreises wird der Pfleger als gesetzlicher Vertreter des Kindes tätig. Das Gericht kann den Pfleger frei auswählen. Grund hierfür ist, dass die von den Eltern eventuell bezeichneten Personen einem der Beteiligten zu nahe stehen, um eine Interessenkollision auszuschließen. Auch das Jugendamt kann zum Pfleger bestellt werden.

Praxisbeispiel

Vorweggenommene Erbfolge

Die Eltern oder ein Elternteil möchten ihrem minderjährigen Kind eine Immobilie schenken. Oft geht es dabei um die vorweggenommene Erbfolge. Da eine Schenkung nicht nur Vorteile hat, sondern gerade mit dem Erwerb einer Immobilie Verantwortung und wirtschaftliche Verpflichtungen einhergehen, befinden sich die Eltern in einem Interessenkonflikt. Dafür benötigen die Eltern im Regelfall die Genehmigung durch das Familiengericht. Will das Gericht die Entscheidung nicht selbst treffen, kann es zum Vollzug der Schenkung einen Ergänzungspfleger bestellen, der entscheidet, ob die Übertragung der Immobilie auf das Kind Vorteile oder eher Nachteile mit sich bringt.

Praxisbeispiel

Kindeswohl gefährdet

Ist das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet, kann das Familiengericht einen Ergänzungspfleger bestellen, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, in angemessener Art und Weise für das Kind zu sorgen (§ 1666 BGB). Sehen sich die Eltern nicht in der Lage, den regelmäßigen Schulbesuch des Kindes zu gewährleisten, kann ein Pfleger bestellt werden, der diese Aufgabe übernimmt.

Umgangspflegschaft

Streiten sich die getrennt lebenden Eltern über den Umgang mit ihrem Kind, kann das Familiengericht eine Umgangspflegschaft anordnen und einen Umgangspfleger bestellen (§ 1684 Abs. III BGB). Der Umgangspfleger unterstützt das Kind und die Elternteile, den Umgang fortlaufend zu organisieren und durchzusetzen. Dazu darf der Pfleger vom betreuenden Elternteil die Herausgabe des Kindes an den umgangsberechtigten Elternteil verlangen und für die Dauer des Umgangstermins den Aufenthalt des Kindes bestimmen.

 

Aufgabe des Umgangspflegers ist es nicht, beim Umgang des Elternteils mit dem Kind anwesend zu sein. Vielmehr ist er nur vor und nach dem Umgangstermin präsent. Er hat kein Recht auf Umgangsbegleitung. Entscheidend ist, dass er bei der Übergabe des Kindes vor Ort anwesend ist und die Eltern motivieren kann, den Umgang zu ermöglichen. Gegebenenfalls kann der Pfleger über das Familiengericht einen vollstreckbaren Herausgabeschluss herbeiführen.

Alles in allem

Der Gesetzgeber nimmt die Interessen des Kindes trotz aller vielleicht bestehenden Kritik ernst. Im Hinblick auf die Lebenspraxis ist es naturgemäß schwierig, in die Rechte von Eltern einzugreifen. Nur dort, wo die Interessen des Kindes offensichtlich gefährdet sind, ist es gerechtfertigt, dass ein „Anwalt des Kindes“ tätig wird. Die Tätigkeit von Jugendämtern und Pflegern ist oft eine Gratwanderung zwischen dem Persönlichkeitsrecht sorge- und umgangsberechtigter Eltern und den Interessen minderjähriger Kinder. Soweit die vom Gesetz vorgesehenen "Anwälte des Kindes" die übertragenen Aufgaben nicht sachgerecht oder zuverlässig wahrnehmen können oder unklar ist, wer die Interessen des Kindes als Anwalt vertreten soll, bleibt in letzter Konsequenz nur, einen kompetenten Rechtsanwalt oder eine kompetente Rechtsanwältin aus dem Rechtsanwaltsverzeichnis einzubeziehen.

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