Überwachung von Leistungsempfängern in der Schweiz

Mittwoch, 24.05.2023 , geschrieben von EliteXPERTS-Redaktion

Die Schweizer Bürger hatten 2018 in einem Referendum dafür gestimmt, dass Sozialversicherungen in Ausnahmefällen Observationen durchführen dürfen, um zu überprüfen, ob jemand Anrecht auf Unterstützung durch eine Sozialversicherung hat. Dazu können sogenannte Sozialdetektive eingesetzt werden, die bei einem konkret bestehenden Verdacht Personen verdeckt observieren und dabei Bild- und Tonaufzeichnungen machen dürfen. Auch technische Instrumente zur Standortbestimmung sollen eingesetzt werden können. Daraus begründet sich die Frage, ob derartige Observationen auch nach deutschem Recht zulässig wären.

Was war der Anlass?

Anlass für das Referendum in der Schweiz war eine Entscheidung des Europäischen Menschengerichtshofs, der entschieden hatte, dass die schweizerischen Unfallversicherer über keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die geheime Überwachung von Versicherten verfügten. Bis dahin hatten die Unfallversicherungsanstalt und die Invalidenversicherung systematisch Überwachungsmaßnahmen ergriffen, um eventuelle Missbräuche aufzudecken. Mit der nach dem Referendum aktualisierten Rechtslage soll die Überwachung auf Krankenkassen, die Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie die Arbeitslosenversicherung ausgeweitet werden.

Sind Überwachungsmaßnahmen in Deutschland erlaubt?

Auch in Deutschland müssen zumindest Bezieher von Sozialleistungen damit rechnen, dass ein Mitarbeiter oder ein Beauftragter der ARGE sie zu Hause aufsucht. § 6 SGB II erlaubt es den Trägern der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu ihrer Unterstützung Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben zu beauftragen. Insbesondere kann ein Außendienst zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch eingerichtet werden. Zudem ist der Bezieher von einer Sozialleistung mitwirkungspflichtig und riskiert, dass die Leistungen eingestellt werden.

 

In § 20 SGB X ist bestimmt, dass die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt und zur Beweisführung den „Augenschein einnehmen“, also Hausbesuche machen darf. Hausbesuche durch „Sozialdetektive“ sind aber nur erlaubt, wenn es keine anderen Wege der Sachverhaltsaufklärung gibt. Die Wohnung darf der Sozialdetektiv nur betreten, wenn der Zutritt richterlich genehmigt ist. Die Observierung des Leistungsbeziehers ist nicht erlaubt, allerdings sollen daraus sich ergebende Erkenntnisse, auch wenn keine Rechtsgrundlage dafür besteht, im Ausnahmefall verwertbar sein (Landessozialgericht NRW, Az. 12 AS 201/11).

Was dürfen Detektive?

Im Prinzip könnten Behörden auch Detektive beauftragen, wenn der Verdacht des Sozialbetrugs besteht. Ähnlich ist es, wenn der Arbeitgeber den Verdacht hat, dass ein Mitarbeiter sich nicht vertragsgetreu verhält und beispielsweise seine Anwesenheit im Home-Office nur vortäuscht, ohne dass er wirklich im Home-Office arbeitet. Da er den Arbeitgeber über seine Arbeitszeit täuscht, besteht der Verdacht des Arbeitszeitbetruges.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer richtungsweisenden Entscheidung klargestellt, dass der Arbeitgeber zur Überwachung seines Mitarbeiters einen Detektiv beauftragen darf, wenn ein konkreter Verdacht besteht und eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegt (BAG, Urteil vom 29.6.2017, Az. 2 AZR 597/16). Eine anlasslose Dauerüberwachung ist allerdings unzulässig. Sie würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Mitarbeiters sowie den Datenschutz missachten. Lässt sich jedoch ein Verdacht auf ein strafbares oder vertragswidriges Verhalten des Mitarbeiters begründen, treten die Interessen des Mitarbeiters hinter die Interessen des Arbeitgebers zurück. Observiert der Detektiv, muss er sich selbst gesetzestreu verhalten und darf nichts tun, das den Mitarbeiter in unzulässiger Art und Weise beeinträchtigt. Nicht zuletzt erlaubt § 32 Bundesdatenschutzgesetz, dass zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen, mit der Konsequenz, dass der Arbeitgeber auch einen Detektiv beauftragen darf, um ein eventuell strafbares Verhalten eines Mitarbeiters zu recherchieren.

Alles in allem

Als in der Schweiz das Referendum abgehalten wurde, war die Kritik groß. Kritiker befürchteten den kompletten Überwachungsstaat und glaubten, das Gesetz öffne die Tür zu Willkür und Machtmissbrauch. Im Interesse der Allgemeinheit und der Gerechtigkeit überwog jedoch die Zustimmung, dass Sozialmissbrauch aufgedeckt werden müsse. Letztlich sind derartige Maßnahmen immer eine Gratwanderung zwischen dem Persönlichkeitsrecht eines Menschen und dem Interesse der Allgemeinheit, dass sich jeder Bürger gesetzestreu verhält.

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