Verbot der anwaltlichen Tätigkeit in "derselben" Rechtssache

Mittwoch, 26.04.2023 , geschrieben von EliteXPERTS-Redaktion

Anwälte sind Interessenvertreter ihrer Mandanten. Mandate sind gewissenhaft wahrzunehmen. Dies bedeutet, dass der Anwalt die Interessen des Mandanten bestmöglich wahrzunehmen hat. Daraus ergeben sich eine Reihe von Standespflichten. So ist es Anwälten unter anderem verboten, in „derselben“ Rechtssache tätig zu werden, in der sie vorher in einer anderen Funktion außerhalb des Anwaltsberufs tätig geworden sind und damit „vorbefasst“ waren. Details regelt § 43a Bundesrechtsanwaltsordnung. Die Vorschrift spielt auch im Familien- und Scheidungsrecht eine gewichtige Rolle. Da der Rechtsbegriff der Vorbefassung schwierig zu erfassen ist, sollen fünf Beispiele verdeutlichen, was gemeint ist.

Was bedeutet „dieselbe Rechtssache“?

Dieselbe Rechtssache kann jede rechtliche Angelegenheit sein, die zwischen mehreren Beteiligten mit mindestens möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen behandelt und erledigt werden soll. Die Parteien brauchen sich nicht als Parteien eines Gerichtsverfahrens gegenüberzustehen oder sich nicht schon im Stadium des Prozesses zu befinden. Maßgebend für den Begriff ist der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Interessen. Letztlich geht es um einheitliche oder identische Lebenssachverhalte oder gleiche historische Vorgänge. Typische Fallkonstellationen sind

  • die eheliche Lebensgemeinschaft,
  • der Verkehrsunfall
  • oder die Erbengemeinschaft.

War ein Rechtsanwalt in derselben Rechtssache tätig und gilt somit als vorbefasst, darf er das Mandat nicht annehmen oder muss das Mandat niederlegen, wenn er feststellt, dass er vorbefasst ist.

EXPERTENTIPP

Mandant kann Anwalt selbst auf Vorbefasstheit hinweisen

Möchten Sie einem Rechtsanwalt das Mandat erteilen, muss der Rechtsanwalt in standesrechtlicher, zivilrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht prüfen, ob er bereits in derselben Rechtssache tätig und insoweit „vorbefasst“ war. Da damit zusammenhängende Vorgänge nicht immer einfach zu beurteilen sind, kann es sein, dass der Rechtsanwalt Zeit benötigt, frühere Vorgänge zu recherchieren und zu prüfen, ob er das Mandat annehmen kann oder ablehnen muss. Lehnt der Rechtsanwalt das Mandat wegen seiner Vorbefassung ab, bedeutet dies nicht, dass Sie als Mandant unsympathisch sind, das Mandat keinen Erfolg verspricht oder der Anwalt kein Interesse am Mandat hat. Ist der Anwalt vorbefasst, hat er keine andere Wahl, als das Mandat abzulehnen. Im Zweifel kann es geboten sein, wenn Sie den Anwalt selbst darauf hinweisen, dass er möglicherweise bereits in derselben Rechtssache tätig war und es geboten erscheint, seine eventuelle Vorbefassung zu überprüfen.

Anwaltsnotare und gleiche Sozietät

In einigen Bundesländern gibt es Anwaltsnotare. Dies sind Notare, die neben ihrer Tätigkeit als Rechtsanwalt auch noch das Amt eines Notars ausüben. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, ist es dem Anwaltsnotar gesetzlich verboten, in einer Angelegenheit notariell tätig zu werden, in der er bereits als Rechtsanwalt tätig war. Umgekehrt gilt das gleiche, wenn der Anwaltsnotar bereits als Rechtsanwalt für einen Mandanten tätig war und danach in seiner Funktion als Notar eine Beurkundung vornehmen soll. Der Anwaltsnotar wäre dann in derselben Rechtssache tätig. Er ändert sich auch nichts, wenn der Anwaltsnotar in einer Sozietät gemeinsam mit anderen Rechtsanwälten und Notaren tätig ist. Auch den Mitgliedern dieser Sozietät ist es verboten, sowohl notariell als auch anwaltlich in derselben Sache tätig zu sein.

Hat ein Anwaltsnotar also einen Ehevertrag, eine Scheidungsfolgenvereinbarung oder eine letztwillige Verfügung des Mandanten beurkundet und war insoweit vorbefasst, darf er den Mandanten nicht mehr vertreten, wenn der Mandant ihn mit der Scheidung beauftragen möchte (§ 45 Abs. I Nr. 1c BRAO).

Rechtsanwalt war als Betreuer für einen Mandanten tätig

Ein Rechtsanwalt war als Betreuer für einen Mandanten tätig. Soll die Ehe der betreuten Person geschieden werden, ist es dem Rechtsanwalt verboten, für den Ehepartner gegen die ehemals betreute Person die Scheidung zu beantragen (§ 45 Abs. I Nr. 2 BRAO). Das Gesetz spricht davon, dass der Rechtsanwalt „vorbefasst“ war. Daran ändert sich nichts, wenn der Mandant argumentiert, der Anwalt kenne die Gegebenheiten wegen seiner Insiderkenntnisse besonders gut, so dass es vernünftig wäre, das Mandat zu übernehmen. Umgekehrt ist es dem Anwalt verboten, die Betreuung einer Person zu übernehmen, wenn er bereits vorher dessen Ehepartner im Scheidungsverfahren vertreten hat (§ 45 Abs. I Nr. 3 BRAO).

Rechtsanwalt, der als Mediator tätig war

Ein Ehepaar, das die gescheiterte eheliche Lebensgemeinschaft abwickeln und letztlich die Scheidung beantragen möchte, sucht einen Rechtsanwalt auf, der als Mediator tätig ist. Als Mediator hat der Rechtsanwalt die Aufgabe, dem Ehepaar zu helfen, sich idealerweise auf eine einvernehmliche Scheidung der Ehe zu verständigen. Unabhängig davon, ob die Verständigung gelingt oder nicht, ist jede spätere Tätigkeit des Rechtsanwalts in derselben Rechtssache, die Gegenstand der Mediation war, ausgeschlossen (§ 43a Abs. IV BRAGO).

Stellt der Anwalt bei der Mediation fest, dass eine Verständigung nicht möglich ist und die Parteien unterschiedliche und gegenläufige Interessen haben, handelt er pflichtwidrig, wenn er seine Tätigkeit für eine Partei weiterführt, indem er sie trotz des Interessenkonflikts weiter berät und vertritt. Daran ändert auch nichts, dass seine weitere Tätigkeit, die vielleicht zum Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung geführt hat, dem Willen beider Parteien entsprochen hat und der Rechtsanwalt die von ihm weiter beratene Partei über die möglichen Risiken einer einvernehmlichen Regelung aufgeklärt hat (OLG Karlsruhe Urteil v. 26.4.2001, Az. 2 U 1/00). Er riskiert, sein gesamtes Honorar zu verlieren. Nicht zuletzt droht ein Standesverfahren vor der Anwaltskammer und Strafbarkeit wegen Parteiverrats (§ 356 StGB).

Vertretung des anderen Partners bei zweiter Scheidung

Hat ein Rechtsanwalt einen Ehepartner bei der Scheidung seiner ersten Ehe vertreten, kann er, wenn die Parteien danach erneut einander geheiratet haben, den anderen Ehepartner bei der Scheidung der zweiten Ehe nicht anwaltlich vertreten (BGH 17, 305).

Erbengemeinschaft

Eine Erbengemeinschaft beauftragt einen Rechtsanwalt mit der Abwicklung des Nachlasses. Es ist Aufgabe des Anwalts, die Rechte der Erbengemeinschaft in jeder Hinsicht optimal zu vertreten. In der Erbengemeinschaft ist diese Interessenvertretung häufig aber nur zum Nachteil anderer Mitglieder der Erbengemeinschaft möglich. Ist beispielsweise die Erbfolge unklar, sind immer potenziell unterschiedliche Interessen möglich. Stellt sich der Interessengegensatz heraus, muss der Anwalt das Mandat insgesamt niederlegen. Er hat wegen seiner „Vorbefassung“ dann auch keine Möglichkeit, aus der Erbengemeinschaft einen Mandanten auszuwählen, den er dann weiter vertreten möchte.

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